Schwerpunktthema

Univ.Prof. Dr. h.c. Dr. Peter Kampits

Univ.Prof. Dr. h.c. Dr. Peter Kampits

Univ.Prof. Dr. h.c. Dr. Peter Kampits

Telefonüberwachung, Auflistung von Abhebungen bei Bankomaten, Kreditkarteneinsätzen, Überwachungs- und Videokameras an allen möglichen Orten, langfristige Spuren bei Internetabfragen und E-Mails – es scheint, dass wir tatsächlich beim “gläsernen Menschen” angekommen sind. George Orwells Visionen in “1984″ sind in der Zwischenzeit bei Weitem übertroffen worden.

Da nützt alle Beschwörung von Datenschutz, vom Schutz der Privatsphäre wenig. Der große Bruder lauert überall, heute sind es die Raucher, morgen die Weintrinker und übermorgen die sich bei McDonalds versorgenden Konsumenten. Die Freiheit, ein in der Moderne hochgehaltener Wert, der sich auch in den diversen Menschenrechtserklärungen niedergeschlagen hat, wird von vielerlei Seiten bedroht. Dies betrifft die Freiheit unserer Lebenswelt, die Freiheit der Wissenschaft und die Freiheit der Kunst. Der Frontalangriff auf die menschliche Freiheit hat vielerlei Fronten, er lässt sich gut in die Kette jener Kränkungen einreihen, die in der Neuzeit dem Selbstverständnis des Menschen widerfahren sind: die kopernikanische Kränkung, nach der die Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls sei, die Kränkung durch Darwin, dass der Mensch nicht allein Produkt evolutionärer Entwicklung sei, sondern eine Nahverwandtschaft mit Affen habe, und schließlich die durch Freud, nach dem das Ich nicht Herr im eigenen Hause sei.

Die Entschlüsselung der DNA hat zu einer Neudefinition des Menschen geführt und zu einer Genetisierung unserer Gesellschaft. Dazu kommt, dass uns die Hirnforscher überzeugen wollen, dass uns Verschaltungen und ein Neuronenspiel determinieren und wir aufhören sollten, von Freiheit zu sprechen. Wir haben es hingenommen, durchleuchtet, überwacht und in unseren Handlungen durch die Spuren, die wir hinterlassen, verfolgt zu werden. Wir haben es hingenommen, dass die großartigen Entwicklungen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik uns bis in unsere Gene bloßstellen. Die geplante Einführung des “Nacktscanners” ist ein allzu deutliches Zeicgen dafür, dass wir bereit sind, die Freiheit an der Garderobe der Sicherheit abzugeben.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass es so etwas wie eine totale Sicherheit geben könne, und dass Freiheit und Sicherheit in einem unauflösbaren Gegensatz zueinander stehen. Der Weg vom demokratischen Staat, der die Freiheitsrechte seiner Bürger bewahrt, zu einem Überwachungsstaat, der tief in die Privatsphäre eingreift, ist vorgezeichnet. Der körperlich und auch virtuell entblößte Bürger ist zum idealen Untertanen geworden, der auf dem Altar der Sicherheit die Freiheit zum Opfer bringt. Es ist nicht zuletzt die Entwicklung des Computers, von Facebook, Twitter und Google, die es so einfach macht, die Freiheit einzuschränken und zu torpedieren.

Anstelle einer Bewahrung der Privatheit ist offenbar ein Trieb zur Selbstentblößung getreten, der sich zwar nicht ausschließlich den technischen Möglichkeiten verdankt, durch diese aber ermöglicht und befördert wird. Aber nicht nur die Freiheit steht zu Gunsten der Sicherheit auf dem Spiel, sondern damit erlischt auch die mit Freiheit untrennbar verbundene Verantwortung für meine Entscheidungen und meine Handlungen. Diesen Preis für eine mehr als fragwürdige Sicherheit werden wir bezahlen müssen, um in die so genannte “Schöne Neue Welt” (Huxley) einzutreten.

Über Univ.Prof. Dr. h.c. Dr. Peter Kampits

Geboren 1942 in Wien,
1960-65 Studium der Philosophie, Psychologie und Geschichte an der Universität Wien,
1965 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Wien,
1966/67 Postgraduate-Studium an der Sorbonne (Paris),
seit 1970 zahlreiche Vorträge an Universitäten in den USA, Südamerika, Mexiko und in sämtlichen europäischen Ländern.
1974 Habilitation für Philosophie an der Universität Wien,
1977 erfolgt die Ernennung zum Univ.Prof. für Philosophie am Philosophischen Institut der Universität Wien.
Von 1987-91 sowie von 2001-04 Vorstand des Instituts für Philosophie der Universität Wien.
Als Dekan der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien ist er von 2004-08 tätig. Gastprofessuren bekleidete er an der University of Fairbanks (Alaska), am Philosophischen Institut der Beyazit Universität Istanbul (Türkei), an der Universität Zagreb (Kroatien) sowie an der Universität Babeş-Bolyai Cluj-Napoca (Rumänien).
Er ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission des Bundeskanzlers, Vorsitzender des Wiener Beirates für Bio- und Medizinethik, leitet die “Forschungsstelle für Ethik und Wissenschaft im Dialog”, das Zentrum für Ethik in den Wissenschaften an der NÖ Landesakademie und die Wiener Dokumentationsstelle für Ethik und Wissenschaft.
Seit 2007 ist er Deputy General Director des IUC Dubrovnik. Des Weiteren Tätigkeit in Advisory Boards zahlreicher Gesellschaften und wissenschaftlicher Institutionen wie dem Viktor-Frankl-Fonds, Vizepräsident der Österreichischen Ludwig Wittgenstein-Gesellschaft und Dekan der Klasse 1 der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste.

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