Wissenschaft/Forschung

v.l.n.r.: Univ.-Prof. Dr. G. WÄSCHER (Universität Magdeburg), Dipl.-Wirtsch.-Ing. Sören KOCH (Universität Magdeburg), ao. Univ.-Prof. Dr. Christine STRAUSS (Universität Wien), Dr. Verena SCHMID (Universität Wien), Dipl.-Math. oec. Sebastian HENN (Universität Magdeburg), Dipl.-Kff. Annett SCHÄDLICH (Universität Magdeburg)

Das sogenannte „Wiener Forschungsseminar“ findet bereits seit Mitte der 1990er Jahre im 2-Jahres-Rhythmus statt.  

Anfänglich als gemeinsames Dissertantenseminar der Forschungsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Gerhard WÄSCHER (Management Science, Universität Magdeburg) und ao. Univ.-Prof. Dr. Christine STRAUSS (electronic business, Universität Wien) konzipiert, ergaben sich rasch gemeinsame Forschungsfragen; mittlerweile entwickelte sich das Seminar zur Kooperationsplattform und zum Outlet kooperativer Forschungsergebnisse. Es zielt auf einen inhaltlichen Brückenschlag zwischen den quantitativen Methoden des Operations Research und dem electronic business – und hier speziell zur eLogistics. Nach  Themen wie Künstliche Ameisen, Industrielle Zuschneide- und Packprobleme, Tourenplanung oder Mischungsproblemen lag der diesjährige Schwerpunkt auf Problemen im Kontext von Distributionslagerhäusern. Die diesjährige Veranstaltung fand vom 7. bis 9. Oktober 2010 in den Räumlichkeiten der OCG statt.  

Die Bündelung von Aufträgen (Order Batching) befasst sich mit dem Zusammenfassen von Kundenaufträgen zu Kommissionieraufträgen und wird als eine der wichtigsten Teilfunktionen in der manuellen Kommissionierung in Distributionslagerhäusern angesehen. Aufgrund des großen Einflusses sowohl auf die operativen Lagerhauskosten als auch auf die Lieferzeiten hat das Thema in den vergangen Jahren große Aufmerksamkeit in der betriebswirtschaftlichen Literatur bekommen. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Sören KOCH von der Universität Magdeburg stellt in seinem Vortrag Genetic Algorithms for the Order Batching Problem in Manual Order Picking Systems ein Verfahren zur Lösung des Order Batching Problems vor, das die vom Lagerhauspersonal zurückzulegenden Wegstrecken minimiert, und damit zur Performancesteigerung von Lagerhäusern beitragen kann. Bislang wurde die Auftragsbündelung getrennt von anderen wichtigen Teilfunktionen im Lagerhaus behandelt; in diesem innovativen Ansatz sollen nun ausgewählte Teilfunktionen simultan optimiert werden. Erfolgreiche und robuste Kombinationen können Logistik-Module entsprechend aufwerten.  

In der Praxis ist neben möglichst geringen Kommissionierzeiten auch sicherzustellen, dass Liefertermine (Due Dates) der Kundenaufträge eingehalten werden. Der Beitrag von Dipl.-Math. oec. Sebastian HENN Order Batching with Due Dates steht daher in engem Zusammenhang mit dem Eröffnungsvortrag; er untersucht in wie weit die Anwendung moderner Metaheuristiken zu verbesserten Kommissionieraufträgen führt, sodass die Gesamtverspätung der Kundenaufträge reduziert werden kann. Im Vortrag wurde das Testdesign einer numerischen Studie dargelegt und erste Ergebnisse vorgestellt. Die heuristischen Ansätze sollen in einer ausführlichen numerischen Studie mit etablierten  Lösungsverfahren verglichen werden.  

Frau Dr. Verena SCHMID von der Universität Wien widmete sich in ihrem Vortrag batch & route – an integrated modelling approach einer erweiterten Aufgabenstellung aus der Transportlogistik, nämlich des klassischen TSP (Travelling Salesperson Problem) und VRP (Vehicle Routing Problem). Bevor bestellte Waren an Kunden übergeben werden können,  müssen die jeweiligen Bestellpositionen innerhalb eines Lagers kommissioniert und danach ausgeliefert werden. In klassischen Optimierungsansätzen werden die beiden Aufgaben-stellungen meist unabhängig voneinander gelöst, was jedoch – ganz allgemein gesprochen – zu suboptimalen Lösungen führt. Eine simultane Betrachtungsweise der Routenplanung sowohl inhouse (Kommissionierung innerhalb des Lagers) als auch outdoor (Verteilung an Kunden) birgt zusätzliches Optimierungspotential. Durch die Adaption einzelner Nebenbedingungen kann das Problem ohne weiteres als gemischt ganzzahliges Optimierungsproblem modelliert werden. Ziel des Vortrages war es ein Modell für die gleichzeitige Betrachtung der angesprochenen Subprobleme zu präsentieren und dieses – anhand von Beispielen – exakt zu lösen. Da der Rechenaufwand mit Standardsolvern jedoch überproportional steigt, scheint der Einsatz von intelligenten (Meta-)heuristiken unumgänglich und eröffnet jedenfalls ein interessantes Forschungsfeld für zukünftige Projekte.  

In ihrem Vortrag Operativer Hochwasserschutz für die Landeshauptstadt Magdeburg ging Frau Dipl.-Kff. Annett SCHÄDLICH den logistischen Prozessen beim Hochwasserschutz und geeigneten Verfahren zu ihrer Planung nach. Da die Landeshauptstadt Magdeburg aufgrund ihrer Lage an der Elbe regelmäßig von Hochwasserereignissen betroffen ist, wird dem Thema des Hochwasserschutzes besondere Bedeutung beigemessen. Der operative Hochwasserschutz verfolgt das Ziel, durch Ergreifung geeigneter Maßnahmen Lebewesen und Sachwerte zu schützen. Hierzu zählt primär die Errichtung mobiler Deichsysteme. Die in diesem Zusammenhang notwendigen logistischen Prozesse (Befüllung, Transport und Verbau von Sandsäcken) müssen so geplant werden, dass die Stadt rechtzeitig und in ausreichendem Umfang vor dem Hochwasser geschützt wird. Hierfür wurde im Vortrag ein zweistufiger Lösungsansatz mittels gemischt-ganzzahliger Optimierung vorgestellt und diskutiert, der in einer entsprechenden Applikation umgesetzt werden kann.  

Die Vorträge lösten eine spannende Diskussion und einen interessanten Diskurs aus, der die Zusammenarbeit und gemeinsame Forschungsarbeit weiter intensivieren und die einzelnen Arbeiten vorantreiben wird. Das nächste Wiener Forschungsseminar ist für Herbst 2012 geplant.  

Autor: ao. Univ.Prof. Dr. Christine Strauss  

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