Wir spielen, also lernen wir

September 16, 2010
Gamecontroller

Der Gamecontroller macht´s möglich: Die ganze „Welt“ in der Hand

Game Based Learning: Teil 3 – Computerspiele als Lernmedien in Unternehmen 

 Vermeintlich wird Spielen oft als Sache von und für Kinderabgetan. Wer so denkt, übersieht dabei, dass Spielen nicht nur ein Grundbedürfnis des Menschen darstellt, sondern auch die Grundlage zur Welterschließung ist. Spielerisch lernen wir – ein ganzes Leben lang –, komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Das nutzen immer mehr Unternehmen und Institutionen und setzen elektronische Spiele, so genannte Serious Games, zur Schulung ihrer Mitarbeiter ein. Die Beispiele sind namhaft: Der Kosmetikkonzern L´Oréal, McDonald´s oder auch HP. 

Spiele regen an und auf. Sie motivieren und können uns fesseln, dass wir die Welt um uns für gewisse Zeit „vergessen“. Dieser Effekt wird in der Forschung als Flow-Erlebnis bezeichnet (Csíkszentmihályi) und beschreibt ein Aufgehen in der Tätigkeit. Ist das Spiel ausreichend und ausgewogen mit Lern- und Spielzielen ausgestattet, erlebt sich der Teilnehmer am Spiel als aktiver Mitgestalter, der unterhaltend lernt. Möglich wird das, weil der programmierbare Computer ein Medium ist, das unterschiedliche Formen der Kommunikation ermöglicht: Der  Computer erlaubt das Lesen von Texten, sich interpersonal (mit anderen Menschen) zu verständigen und interaktiv zu kommunizieren, d. h. den Menschen mit dem Computer (interaktiv) zu kommunizieren. Diese Form des Austausches findet zwischen Menschen und GPS-Systemen, Bedienoberflächen aller Art und im Besonderen mit Computerspielen statt.Was Computerspiele gegenüber anderen Medien der Welterschließung (1) besonders macht, ist u. a. ihre Wiederholbarkeit. Werden Filme oder Bücher oft nur einmalig rezipiert, „leben“ Computerspiele davon, wiederholt zu werden. Sie regen Spieler an, die einmal erbrachte Leistung zu steigern, sich also selbst – oder andere Mitspieler – zu übertreffen bei der Erreichung von Zielen. Zusätzlich verlangen sie ein aktives Dabeisein und Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen. Nur wenn fokussiert gehandelt und das Geschehen interpretiert wird, erschließt sich das Spiel bzw. ist es überhaupt erst möglich. Daher ist eine passive Nutzung ausgeschlossen.Marlies Auer, 34, die beim bfi Oberösterreich als Trainerin Menschen hilft, ihre Fähigkeiten zu erkennen und zu nutzen (Empowerment), hat ihre Master Thesis dem „Einsatz von Computerspielen und computerbasierten Lernspielen in der Erwachsenenbildung“ (Donau-Universität Krems) gewidmet. Sie sagt, dass Computerspiele „hauptsächlich im Wirtschaftstrainingsbereich und in der Ausbildung im Sicherheitsbereich bei Piloten und Kraftwerken“ zum Einsatz kommen. Konzerne in Deutschland und vor allem in den USA entwickeln sich „eigene Serious Games für den internen Gebrauch“.Einarbeitungszeit verkürzen und Kunden unterhaltenEiner dieser Konzerne ist McDonald´s. Die umsatzstärkste Fastfoodkette der Welt möchte mit dem Spiel „eSmart“ die Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter auf die Hälfte verkürzen. Spielinhalt sind die einzelnen Handgriffe für die Zubereitung. Ausprobiert wird diese spielerische Ausbildung in Japan, wo jede Filiale zwei Nintendo DS-Spielkonsolen zur Verfügung gestellt bekommen hat. Auch aus Japan wurde berichtet, dass Kunden von McDonald´s-Restaurants mittels Nintendo DS am Programm „Action Wireless Information and Gaming“ teilnehmen können. Geboten werden im „Mc de DS“- oder auch „DS at McDonald´s“- Service, das via WLAN Hotspots („Nintendozonen“) zur Verfügung steht, neben Gutscheinen, Informationen über die McDonald´s-Produkte, Rezepte und auch Spiele zur Unterhaltung der Gäste.HP bietet allen interessenten die Website GET-IT City mit dem definierten Ziel, eigene Geschäftsfähigkeiten zu entwickeln und zugleich das IT-Wissen zu erweitern. Die GETITCity richtet sich vor allem an junge Arbeitssuchende mit oder ohne Schulabschluss, „to help them find a job or start their own businesses“. Computerspiele als Assessment- Center… 

Der Kosmetikweltkonzern L´Oréal lädt Interessenten auf eine Reise ein, um das Unternehmen kennen zu lernen. Dabei muss der geneigte Spieler herausfinden, ob er die Fähigkeiten zur Mitarbeit hat. Das Spiel heißt Reveal und richtet sich in der gesamten Aufmachung (Figurenzeichnung, Musik, grafische Ausgestaltung) vor allem an junge Interessenten, die ihre Fähigkeiten in den Bereichen Verkauf, Marketing, Finanzen, Forschung und Entwicklung, Ablaufplanung und Logistik zeigen müssen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf Teamfähigkeit und Networking gelegt.(2) 

…und in der PersönlichkeitsentwicklungNicht nur große Unternehmen setzenSpiele in unterschiedlichen Bereichen ein. Marlies Auer verwendet für den Bereich Selbstbewusstseins-/Präsentationstraining das Karaoke-Spiel „Singstar“ (Sony). Das war „sehr erfolgreich, sobald die ersten Hemmungen gefallen sind“. Jugendliche fördert sie mit der Wirtschaftssimulation „Sim City“ (Maxis/EA). Gefragt sind dabei Managementfähigkeiten. Fast so wie im echten Leben.Autor: Mag. Rupert Lemmel-Seedorf+++++++++++++++++++++++++++++++++ 

 1 Das Computerspiel bietet – ähnlich wie bei den Medien Buch oder Fernsehen – dem Nutzer/Spieler Weltentwürfe unterschiedlicher Komplexität,
„auf die sich der Spieler einlassen muß“. In Simulationsspielen müssen etwa Städte gegründet und aufgebaut werden („Sim-
City“, „Die Siedler“, „ANNO“), Unternehmen („Patrizier“, „Die Gilde“) oder Völker geführt werden („Populous“, „Black & White“).
Im Spiel wird eine „andere Realität konstruiert […], in der Tätigkeiten, die aus der ursprünglichen (gesellschaftlichen) Realität stammen,
herausgelöst und ausgeführt, eben gespielt werden können“. (Oerter)
2 L´Oréal beschreibt das Spiel in Eigendefinition: „It relies on an entertaining, realistic and didactic scenario, with enigmas to be resolved,
hidden clues to be found and a network of participants to be created“. (http://www.reveal-thegame.com/rules.aspx

Quellen
Friedrich Krotz: Computerspiele als neuer Kommunikationstypus. In: Thorsten
Quandt, Jeffrey Wimmer, Jens Wolling (Hrsg.): Die Computerspieler. Studien
zur Nutzung von Computergames. VS Verlag für Sozialwissenschaften,
2008.
Christina Hiptmayr: Spiel des Lebens. In: Profil extra, Juni 2010.
Silvia Schachinger, Florian Scherz: Simulation-Evolution, Teil 2. In: Gamers.at,
Das österreichische PC-Spielmagazin, Nr. 21, 2009.
Rolf Oerter: Psychologie des Spiels. Beltz, 1999.
Marlies Auer: Lara Croft meets Nicolai Grundtvig. Einsatzmöglichkeiten von
Computerspielen und computerbasierten Lernspielen in der Erwachsenenbildung.
Donau-Universität Krems, 2009.
Alexander Pfeiffer: Spielend lernen … vom Kindergarten bis ins Altenheim. In:
Gamers.at, Das österreichische PC-Spielmagazin, Nr. 17, 2009.
Nintendo bei McDonald‘s:
http://www.techfieber.de/2010/03/23/daddel-training-mcdonalds-bildetmitarbeiter-
mit-nintendo-ds-aus/
http://www.japantrends.com/de/mcdonalds-bietet-wlan-hotspots-fur-nintendo-
ds/
L´Oréal: www.reveal-thegame.com.
HP: www.get-it-city.net/

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