Gerfried Stocker

Welche Berechtigung haben museale Präsentationen in einer Zeit, in der es nur wenige Klicks braucht, um Informationen zu jedem erdenklichen Thema zu finden? Einer Zeit, in der immer smartere Suchmaschinen ein weltweit gespeistes Datenpool durchforsten und von wissenschaftlichen Abhandlungen über Satellitenbilder und hochaufgelösten Filmen bis zum ExpertInnen-Interview alles auswerfen, was man sich nur wünschen kann. Womit können, womit sollen themenbezogene Ausstellungen das toppen? Oder spricht letzten Endes nur noch die physische Präsenz von Exponaten für den Museumsbesuch?

„Museum der Zukunft“ steht im Untertitel des Ars Electronica Centers und bringt Programm und Anspruch gleichermaßen zum Ausdruck. Das Ars Electronica Center ist kein Museum im herkömmlichen, im traditionellen Sinne. Es hat keine Sammlung und präsentiert nicht Inhalte. Das Haus versteht sich vielmehr als eine Plattform für interdisziplinäres Konzeptionieren und szenisches Aufbereiten von Inhalten. Kein Raum für Präsentationen, sondern ein Ort, an dem geforscht und experimentiert, an dem gearbeitet und gespielt wird. Das Prinzip der Interaktion wird dabei zur umfassenden Partizipation erweitert und der gemeinsamen Präsenz von Kunst und Wissenschaft eine thematisch wie inszenatorisch tragende Rolle beigemessen. 1996 erstmals eröffnet, erfuhr das Ars Electronica Center im Vorfeld des Das Ars Electronica Center – Museum der Zukunft Gerfried Stocker Linzer Kulturhauptstadtjahres 2009 ein bauliches und inhaltliches Update. Von 2500 auf 6500 Quadratmeter Nutzfläche erweitert, besticht das Haus seit seiner Wiedereröffnung am 2. Jänner 2009 durch eine funktionale wie optisch überzeugende Architektur. Membran zwischen musealem Innenleben und umliegendem Stadtraum ist eine das Gebäude einfassende LED-Fassade, die künstlerisch bespielt werden kann.

Atelier und Labor

Weder Kunsthaus noch ein Science Center, ist das Ars Electronica Center Atelier und Labor zugleich. Grenzziehungen zwischen künstlerischer
Recherche auf der einen und wissenschaftlicher Forschung auf der anderen Seite werden aufgehoben und beide entlang gemeinsamer Fragestellungen in Szene gesetzt. Schauplatz dieser wechselseitigen Inspiration istvor allem die „Main Gallery“, die nach „Neuen Bildern vom Menschen“fahndet. Im Mittelpunkt steht dabei der Siegeszug von Bio- und Gentechnologie und Neurowissenschaften.
BrainLab
Das menschliche Gehirn wird als das komplizierteste System im Universum bezeichnet: Ein gigantisches Netzwerk aus 100 Milliarden Nervenzellen, von denen jede einzelne Zelle wiederum mit rund 10.000 Synapsen verbunden ist. Das BrainLab gibt Einblick in die Funktionsweise unseres Gehirns und rückt die Wahrnehmung – oder besser: die Konstruktion – unserer Wirklichkeit ins Zentrum.
BioLab
Kaum ein Bereich löst derart hitzige Debatten aus wie die Gentechnologie. Das BioLab gibt Einblick in die inneren Strukturen des Lebens, in den Aufbau der Zellen und der DNA. Darüber hinaus bietet das BioLab die Möglichkeit, hochspezialisierte Gerätschaften wie ein Rasterelektronenmikroskop
auszuprobieren.
RoboLab
Insbesondere die Entwicklung der humanoiden – also menschenähnlichen – Roboter lehrt uns vieles über uns selbst: was Bewegung ist zum Beispiel. Und was Intelligenz oder Wahrnehmung. Wir erkennen dabei, wie hoch entwickelt wir sind und wo wir an unsere Grenzen stoßen. Das RoboLab rollt die Geschichte der Robotik auf und demonstriert die technische Perfektion der Roboter unserer Zeit.
FabLab
Den Turnschuh nicht mehr im Sporthandel kaufen, sondern aus dem Internet downloaden und ausdrucken? Eine schräge Zukunftsvision, die bald Realität sein könnte – mit gravierenden Folgen für Industrie und Wirtschaft. Im Fab(rication)Lab dreht sich alles um die Idee, digitale Objekte aus dem WWW beziehen und ausdrucken zu können. Nicht (nur) auf Papier, sondern als reale Gegenstände: Ein 3D-Printer erzeugt aus einem Computermodell einen echten Gegenstand, computergesteuerte Lasercutter schneiden beliebige Materialien. Via Internet werden Entwürfe für Kleidungsstücke oder Designs für Möbel so einfach verteilt, wie dies heute bereits mit Musik, Bildern und Filmen geschieht.

Weitere Informationen: www.aec.at

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