eHealth

Laptop mit Arzthand die Stethoskop hält

Medizin und Informatik gehören untrennbar zusammen

Ass.Prof. Dipl.Ing. Dr. Klaus-Martin Simonic
Univ.Doz. Ing. Mag. Mag. Dr. Andreas Holzinger

Information ist die Basis für ärztliches Handeln. Ein Mehr an Information bedeutet folglich einen größeren medizinischen Handlungsraum und mithin eine effektivere und, aus heutiger Sicht besonders wichtig, auch eine effizientere Medizin. Was in den 1970er Jahren als Vision einiger Positivisten rund um den Computereinsatz in der Medizin begann, wird, obwohl nie systematisch belegt, zum Credo in der Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Gesundheitsversorgung und das Vorhaben einer lebenslangen elektronischen Gesundheitsakte zu ihrem Schlüsselprojekt. Die Realisierung
lässt trotz jahrzehntelanger Bemühungen und dem Einsatz beachtlicher finanzieller Mittel auf sich warten. Als Ursache wird eine Vielzahl von Problemen genannt – nicht so wichtig, denn technische Lösungen werden für die absehbare Zukunft in Aussicht gestellt.
Soweit die Mär.

Information im Sinne der medizinischen Dokumentation ist ein Netz von Gepflogenheiten, sprich Standards, die (medizinische) Informatik die herbeigerufene Kraft zur Übertragung dieser Standards, wenn möglich durch Standards. Unterschiedlicher könnte das begriffliche Verständnis kaum sein. Der moderne Informationsbegriff ist geprägt von den Massenmedien und ihrer ständigen globalen Verfügbarkeit und wandelt sich mehr und mehr zum Synonym für die theoretische Möglichkeit einer umfassenden Informiertheit. Genau hier liegt die Crux: Ärztinnen und Ärzte im klinischen Alltag klagen bereits heute über ein Zuviel an Information: Unter den engen zeitlichen Rahmenbedingungen der Routine wird die Informiertheit, das Erfassen der relevanten Patienteninformation selbst zum kritischen Faktor. Ein Verweis auf das personelle Ressourcenproblem allein greift zu kurz. Die kognitive Belastbarkeit und die Kapazität des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses stoßen an ihre Grenzen, und die Zunahme von Fehlern ist eine logische Konsequenz. Die systematische Analyse von unterschiedlichen Präsentationsformen medizinischer Information sowie der Benutzbarkeit von medizinischen Informationssystemen ist daher ein Gebot der Zeit und darf von einer inhaltlichen Definition nicht getrennt werden. Das aufgezeigte Problem der Übertragbarkeit von medizinischen  Informations- und Dokumentationssystemen wird auch an anderer Stelle sichtbar.

Gemäß der Good Clinical Practice (GCP), einem Standard der Medizin, ist die Dokumentation jeder medizinischen Handlung ein integraler Bestandteil dieser Handlung selbst. Es gilt: „Nicht dokumentiert ist nicht gemacht.“ Die GCP ist Rechtsgrundlage und Spruchpraxis im medizinischen Bereich und entwickelt, in Zusammenhang mit der standardisierten elektronischen Krankenakte, eine nicht intendierte Dynamik, nämlich: „Nicht dokumentierbar ist nicht machbar!“ Unerwartet hat das Dokumentationswerkzeug nun direkten Einfluss auf die ärztliche Tätigkeit und führt in unzulässiger Weise zu einer Beschränkung möglicher Alternativen. Das allseits gewünschte Ziel einer individuell angemessenen (optimalen) medizinischen Versorgung kann nicht durch eine Standard-Musteranwendung auf Informationsebene erreicht werden. Schließlich sollte unsere Arztwahl auch in Zukunft nicht vom verwendeten Informations- und Dokumentationssystem abhängen.