Accessibility

Mag. Rudolf Hartjes

Die Thematik des barrierefreien Internets nimmt in der österreichischen Öffentlichkeit bedauerlicherweise immer noch einen relativ geringen Stellenwert ein und wird primär von einem sozialen Blickwinkel aus wahrgenommen. Der soziale Aspekt der Barrierefreiheit ist leider oft nur für große Unternehmen und Organisationen eine Motivation – frei nach dem Motto „doing well by doing good“ – die erforderlichen Ressourcen einzusetzen, um letztlich ihr soziales Engagement entsprechend zu kommunizieren und zu platzieren. Auch technische Vorteile der Barrierefreiheit wie z. B. eine geringere Serverlast durch standardkonforme Programmierung werden erst ab einer gewissen Größe der Website schlagend. Es herrscht daher immer noch die weit verbreitete Meinung, barrierefreie Web Auftritte sind nur für große Unternehmen relevant. Gestärkt und untermauert wird diese Meinung durch die Erwartung eines höheren finanziellen und technischen Aufwandes sowie mangelnde Fachkenntnis seitens der Betreiber, wenn es um die Implementierung der Barrierefreiheit geht.

Klar ist aber, dass jene Benutzer, die im Umgang mit dem Internet auf Barrierefreiheit angewiesen sind, nicht nur auf Websites von Behörden und großen Unternehmen unterwegs sind, sondern, wie jeder andere Internetbenutzer auch, auf das volle Spektrum an Websites Zugang haben müssen.
Effizienz und Wettbewerb. Wie können also Entscheidungsträger, Manager und Website-Betreiber auf breiter Basis von der Sinnhaftigkeit der Verbesserter Web-Auftritt durch Barrierefreiheit
Barrierefreiheit überzeugt werden? Dies kann am besten dadurch geschehen, dass anhand konkreter Fallstudien die ökonomischen Vorteile gezeigt werden, wie beispielsweise eine erhöhte Reichweite und verbesserte Schnittstelle zum Kunden. Eine barrierefreie Website ermöglicht nicht nur Zugang zu einem erweiterten Markt, sondern verbessert zudem die Menge und Qualität des Website- Traffic.

Man stelle sich hierzu eine beliebige Website vor, deren Informationen sowohl in normalem Text als auch in Grafiken „verpackt“ sind. Die Inhalte der Grafiken erschließen sich auf einer nicht barrierefreien Website nur dem sehenden Benutzer. Durch die Verwendung von Alternativtexten, die den Inhalt der Grafiken beschreiben, werden die Informationen der Abbildungen auch auf einer textuellen Ebene dargestellt und können daher von Hilfsmitteln, wie z. B. Screenreadern, erfasst werden. Diese Alternativtexte (auch ALT-Texte genannt) sind im Sourcecode einer Website verborgen
und treten beim „normalen“ Betrachten einer Website nicht zutage. Sie helfen also jenen Benutzern, die darauf angewiesen sind. Doch nicht nur menschliche User, auch Suchmaschinen profitieren von der Barrierefreiheit, da auch diese auf textuelle Informationen angewiesen sind, um die Informationen einer Website zu indizieren. Je mehr und besser der Inhalt einer Website indiziert wird, desto größer ist die Chance, dass eine Website in den Ergebnissen einer Suchanfrage gelistet wird. Nicht umsonst bezeichnet sich die Suchmaschine Google selbst als den einflussreichsten „blinden“ User im Internet .

Hinzu kommt, dass sich eine barrierefreie Programmierung einer Website nicht nur auf ALT-Texte beschränkt, sondern viele weitere der Suchmaschinenindizierung zuträgliche Merkmale aufweist, wie z. B. eine korrekte Dokumentenstruktur oder die Verwendung natürlicher Sprache.

Ein Fallbeispiel aus der Praxis

Eine wissenschaftliche Untersuchung zu dieser Thematik, durchgeführt an der Universität Wien am Fachbereich für Electronic Business, zeigte anhand eines konkreten Beispiels eines österreichischen KMUs eine signifikante Zunahme von Quantität und Qualität des Website-Traffic nach Einführung der Barrierefreiheit. So erhöhten sich die Gesamtbesuchszahlen um 60 %; gleichzeitig konnten deutliche Verbesserungen qualitativer Besuchsmerkmale festgestellt werden, wie ein Anstieg der Anzahl der aufgerufenen Seiten pro Besuch oder der durchschnittlichen Besuchsdauer pro Besucher. Eine detaillierte Analyse der durch Suchmaschinen generierten Besuche zeigte zudem, dass sämtliche Messwerte der barrierefreien Website signifikant besser waren als jene der nicht barrierefreien Website. Der betriebswirtschaftlich orientierte Teil dieser Studie bestand in einer Analyse der Kosten und Nutzen der Barrierefreiheit. Bereits nach zwei Monaten konnte durch die barrierefreie Webpräsenz ein Umsatzzuwachs in Höhe der für die Einführung derBarrierefreiheit angefallenen Kosten verzeichnet werden.Es zeigte sich, dass auch für Klein- und Mittelunternehmen die Effekte eines barrierefreien Internetauftritts wirtschaftliche Vorteile und Effizienzsteigerungen sein können und somit eine Motivation bilden, den Online-Vertrieb qualitativ und quantitativ zu verbessern.

Autor: Mag. Rudolf Hartjes

Kontakt:
Mag. Rudolf Hartjes
Universität Wien
Institut für Betriebswirtschaftslehre
Fachbereich Electronic Business
Brünner Straße 72, 1210 Wien
Tel.: +43 1 42 77-38 088
Fax: +43 1 42 77-38 115
rudolf.hartjes@univie.ac.at

Buchtipp:

Hartjes, Rudolf
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Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles,
New York, Oxford, Wien, 2009. 117 S.,
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Electronic Business Bd. 1
Herausgegeben von Strauß Christine
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