Accessibility

Barrierefreies Internet ist für die Gesellschaft von großer Bedeutung

 

Das Internet kann von Menschen mit Beeinträchtigungen oft nur mit Hilfe Assistierender Technologien (AT) genutzt werden. Dafür bedarf es barrierefreier Webseiten, welche die Inhalte zielgruppengerecht darstellen und die Interaktion mit AT unterstützen. Um hier Vergleichbarkeit und Qualitätssicherung zu gewährleisten, ist ein Zertifikat oder Gütesiegel erforderlich, welches eine objektive und nachvollziehbare Bewertung garantiert.   

Webseiten sind laufenden Änderungen unterworfen und müssen regelmäßig auf ihre Konformität mit den Kriterien für Barrierefreiheit überprüft werden. Dieser Prüfprozess sollte mit der Vergabe eines Gütesiegels verbunden werden, das die Qualität des Produktes „barrierefreie Webseite“ garantiert und nach außen hin sichtbar macht. Ein Gütesiegel stellt daher ein effektives Instrument der Qualitätssicherung dar.   

In einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wurden bereits Gütesiegel für barrierefreie Webseiten eingeführt, diese beruhen jedoch teils auf unterschiedlichen Kriterien und wenden verschiedene Evaluationsmethoden an. Eine solche Fragmentierung widerspricht den Anforderungen international vernetzten Wirtschaftens. Multinationale Unternehmen mit internationalen Webauftritten müssten somit bei der Einführung von barrierefreien Webseiten unterschiedliche Kriterien verschiedener nationaler Gütesiegel berücksichtigen. Für eine europaweit vereinheitlichte Evaluierung wurde im Rahmen des Projekts „Supporting the Creation of an eAccessibility Quality Mark“ ein europäisches Zertifizierungsschema entwickelt. Das erarbeitete Zertifizierungsschema sieht neben einer zentralen, europäischen Stelle, der „European Authority for Web Accessibility Conformity Assessment“ (EAWAC), drei Implementierungsoptionen vor, aus denen länderspezifisch – je nach nationalen Bedürfnissen und Gegebenheiten – eine Auswahl getroffen werden soll: (A) Selbstdeklaration, (B) Zertifizierung, (C) Zertifizierung durch Prüf- und Überwachungsstellen. Um die Umsetzung eines Gütesiegels in Österreich zu vereinfachen und zu beschleunigen, wurden im Rahmen einer Kooperation des Fachbereichs Electronic Business der Universität Wien und des Instituts Integriert Studieren der Universität Linz vorab alternative Umsetzungsstrategien evaluiert. Mittels Szenarienanalyse wurden vier unterschiedliche Strategien entworfen und bewertet, die von der Annahme ausgehen, dass es eine europaweit einheitliche Norm sowie eine homogene Evaluationsmethodik geben wird. Diese vier Strategiealternativen werden anhand von sechs Kriterien bewertet, nämlich Einfachheit, Kosteneffizienz, Unabhängigkeit, Flexibilität, Objektivität und Schnelligkeit.   

A) Selbstdeklaration
Bei der Implementierung eines Gütesiegels in Form einer Selbstdeklaration verpflichtet sich der Inhaber einer Webseite, die Vorgaben eines normativen Dokuments einzuhalten und darf deshalb das Gütesiegel auf seiner Webseite anbringen. Die Kontrolle über die Konformität der Seite mit den jeweils gültigen Kriterien erfolgt ausschließlich durch den Inhaber sowie die Nutzer der Webseite, welche die Möglichkeit zur Beschwerde und Reklamation haben. Dieses Szenario braucht anbieterseitig lediglich Rahmenbedingungen für eine Distribution des Gütesiegels nach Selbstdeklaration, der Inhaber der Webseite muss jedoch von sich aus aktiv werden, um das Gütesiegel zu erhalten. In der Praxis werden derzeit einige Gütesiegel nach diesem Prinzip geführt (z. B. WAI-Logo, Österreichisches E-Government Gütesiegel).   

B) Produkt-Zertifizierung ohne Gütesiegel
Bei dieser Alternative wird ein Zertifikat über die Konformität der Webseite mit der jeweiligen Norm durch eine akkreditierte nationale Zertifizierungsstelle verliehen. Dieses Szenario könnte eine überbrückende Alternative bis zur Einrichtung des EAWAC darstellen, da es weder die aufwändigere Struktur eines Gütesiegels, noch Inhaber- oder Lizenz-Vereinbarungen erfordert.   

C) Produkt-Zertifizierung mit Gütesiegel
Diese Alternative stellt eine Weiterentwicklung von Alternative A dar, da sie von der Einrichtung eines europäischen Gütesiegels und den dazugehörigen Strukturen ausgeht. Ein derartiges Siegel wird von nationalen Zertifizierungsstellen verliehen. Auch hier werden derzeit in der Praxis einige Gütesiegel nach diesem Prinzip geführt (z. B. Euro-Label).   

D) Produkt-Zertifizierung unter Verwendung bestehender Strukturen
Diese Alternative basiert auf bewährten, existierenden Strukturen und Gütesiegeln, wie beispielsweise
dem Keymark. Das Keymark, ein europäisches Gütesiegel für die Konformität von Produkten mit den Voraussetzungen relevanter Standards, wurde als Dach-Label im technischen Sektor entwickelt und vereint derzeit mehrere europäische Standards.   

Das Selbstdeklarations-Szenario stellt die kostengünstigste Alternative dar, wobei hinsichtlich der Objektivität bei der Beurteilung ein deutliches Defizit im Vergleich zu den übrigen Szenarien festzustellen ist. Eine Produkt-Zertifizierung ohne Gütesiegel eignet sich besonders für eine unmittelbare, rasche Umsetzung, da die organisatorischen Strukturen eines Gütesiegels nicht sofort vorhanden sein müssen. Eine Produkt- Zertifizierung mit Gütesiegel bzw. eine Produkt-Zertifizierung unter Verwendung bestehender Strukturen bieten zwar größere Objektivität, sind jedoch hinsichtlich Unabhängigkeit den anderen Alternativen unterlegen. Sie eignen sich jedoch als Folgestrategien, die – je nach nationalen und europäischen Voraussetzungen – nach einer Umsetzung der Selbstdeklaration oder der Produktzertifizierung ohne Gütesiegel realisiert werden könnten.   

Diese Analyse gibt einen Einblick in die Alternativen zur Umsetzung eines Gütesiegels für barrierefreie Webseiten und kann als Ausgangspunkt für weitere, quantitativ ausgerichtete Evaluationen (z. B. Kosten-Nutzenkalkül und Analyse der Komplexität verschiedener Umstiegszenarien) dienen.    

Auroren:     

Dr. Marie-Luise Leitner, ao.Univ.Prof. Dr. Klaus Miesenberger, ao.Univ.Prof. Dr. Christine Strauß 
 

   

  
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