IT und Kultur

Neue Formen, Literatur zu erschaffen und zu konsumieren, sind im Vormarsch

Neue Formen, Literatur zu erschaffen und zu konsumieren, sind im Vormarsch

Die technischen Möglichkeiten des Internets werden zunehmend auch von Kunst- und Kulturschaffenden genutzt, zum Beispiel von Schriftstellern, die das Medium nutzen, Literatur zu gestalten. Da diese Art von Literatur neu ist, gibt es im literaturwissenschaftlichen Diskurs noch keine einheitlichen Bezeichnungen. Auch die Frage, ob digitale Literatur überhaupt „Literatur“ ist, wird kontroversiell diskutiert. Im Prinzip beschränken sich aber die Unterschiede hauptsächlich auf die technische Umsetzung.

Kerstin Maria Seper beschreibt in ihrer Diplomarbeit „Digitale Literatur“ die verschiedenen Formen der Netzliteratur. Sie führt dabei Hyperfiction, verschiedene Arten von Netzliteratur mit oder ohne multimedialer Beteiligung und interaktive Dramen an.(1) Nun hat ein Autor auch die Kommunikationsplattform „facebook“ als Träger von literarischen Texten für sich entdeckt. Unter dem Pseudonym „TG“ schreibt er den Roman „Zwirbler“, der täglich eine Fortsetzung erfährt und dafür jeden zum Mitmachen einlädt. „facebook“ ist eine Plattform, auf der registrierte User Statusmeldungen veröffentlichen können, die von ausgewählten Freunden oder auch von allen gelesen werden können, primär also ein Kommunikationsmittel. Der facebook-Roman weist spezielle Kennzeichen auf, die durch die technischen Voraussetzungen
gegeben sind: Der Text wird nicht gedruckt und verkauft, sondern erscheint digital und kann jederzeit und weltweit gratis online gelesen werden. Außerdem können die Teile den Lesern zugestellt werden, wenn sie den „Gefällt mir“-Button anklicken. Damit erhalten sie täglich
den aktuellen Teil des Romans und können ihn am PC oder auch auf dem Mobiltelefon lesen.

Der Roman erscheint als Fortsetzungsroman in Einzelteilen, jeden Tag wird er in Form einer Statusmeldung veröffentlicht. Er wird unmittelbar und spontan verfasst. Die einzelnen Teile können danach nicht mehr verändert werden. Kommentare von Lesern können eingearbeitet werden. Dadurch verschwimmt die Grenze zwischen Autor und Leser. Der Autor hat dann die Aufgabe, die Ideen und Wünsche der Leser zu bündeln, in die Handlung aufzunehmen und zu formulieren. Diese Funktion des Autors gibt es bei gedruckten Texten nicht. Auch das Leseverhalten unterscheidet sich stark.

Der Kommunikationsaspekt trittstärker in den Vordergrund als in konventionellen, gedruckten Texten. Da die Statusmeldungen bei facebook auf 420 Zeichen beschränkt sind, müssen die einzelnen Teile des Fortsetzungsromans mit dieser Zeichenmenge auskommen. Das erfordert präzises Formulieren und
genaue Auswahl. Damit bestimmt die Form bzw. die technischen Vorgaben die Arbeitsweise des Autors entscheidend.

Laut Autor TG, den seine Tochter auf die Idee gebracht hat, facebook auch für Geschichten zu nutzen, ist das auch die besondere Herausforderung bei dieser Textform. „Zwirbler“ ist der erste facebook-Roman, es ist zu erwarten, dass sich die Idee weiter verbreiten wird.

Der „Zwirbler“-Roman sowie der Podcast sind auf der Website des Autors (www.zwirbler.com) und direkt auf facebook unter www. facebook.com/Zwirbler.Roman abrufbar.

1 vgl. Seper, Kerstin Maria: Digitale Literatur, Wien 2009 (Diplomarbeit), S. 38f.

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