Präsident des OVE Dipl.-Ing. Gunter Kappacher

Der Präsident des OVE, Dipl.-Ing. Gunter Kappacher, zum Berufsbild IngenieurIn

Unsere Gesellschaft steht am Beginn des 21. Jahrhunderts vor enormen Herausforderungen:

In Zeiten zu Ende gehender fossiler Ressourcen bei gleichzeitig wachsendem Energiebedarf ist eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen das Gebot der Stunde. So hat sich der weltweite Energieverbrauch in der Zeit von 1965 bis heute etwa verdreifacht, Tendenz weiter steigend. 
Dazu kommt, dass 70 % der globalen Öl- und Gasreserven in einigen wenigen Ländern liegen. Rasches Bevölkerungswachstum – die UNO geht von einer weltweiten Bevölkerung von 7,5 Mrd. im Jahr 2020 aus, das ist ein Plus von 1,1 Mrd. zu heute – und zunehmende Verstädterung verschärfen die Situation zusätzlich. So soll es lt. UNO 2025 bereits 27 „Megacities“ mit über 10 Mio. Bewohnern geben.

Ein weiteres Problemfeld stellt sich mit der zunehmenden Überalterung unserer Bevölkerung und dem Erfordernis nach intelligenten technischen Lösungen, die insbesondere ältere Menschen in ihrem täglichen Leben unterstützen – Schlagwort „Ambient Assisted Living“. Weiters muss es Ziel unserer Wissensgesellschaft sein, den nach wie vor herrschenden „Digital Divide“ zu überbrücken und allen Bevölkerungsgruppen (barrierefreien) Zugang zu Internet und elektronischen Medien zu ermöglichen. Laut dem aktuellen Austrian Internet Monitor verfügen nach wie vor 17 % der Bevölkerung über keinen Zugang zum Internet.  Dies sind nur einige Beispiele unserer aktuellen und künftigen Herausforderungen. Auch der Bereich der Mobilität stößt an seine Grenzen. Hier könnte der Umstieg auf die Elektromobilität einen wichtigen Beitrag leisten: Nach Angaben der Austrian Mobile Power (AMP) soll bis zum Jahr 2020 die erforderliche Infrastruktur für 100.000 Elektroautos in Österreich vorhanden sein.

Lebensqualität künftiger Generationen

Was ist nun allen genannten Problemfeldern aus den Bereichen Energie, Umwelt und Klimaschutz, Health Care, Informations- und Kommunikationstechnik gemein? Alle Entscheidungen, die wir heute in diesen Bereichen treffen, beeinflussen erheblich die Lebensqualität der nächsten Generationen. Und das Wesentliche dabei: Um entsprechende Lösungen und Technologien zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu entwickeln, braucht es best ausgebildete IngenieurInnen und DiplomingeneurInnen!

Attraktives Betätigungsfeld vs. wenig bekanntes Berufsbild
Obwohl in Österreich attraktive Themenstellungen, beste berufliche Aufstiegschancen und entsprechende Gehälter auf AbsolventInnen technisch-naturwissenschaftlicher Studienrichtungen warten, herrscht am Arbeitsmarkt nach wie vor ein Mangel. Die jüngste Wirtschaftskrise hat die Situation zwar kurzfristig entschärft, dennoch ist auch für die nächsten Jahre mit einem weiteren Mangel an qualifizierten IngenieurInnen und DiplomingenieurInnen zu rechnen. Die Industriellenvereinigung hat in ihrer jüngsten Bildungsstudie  erhoben, dass 77 % der Unternehmen in Österreich Rekrutierungsprobleme im Bereich Technik/Produktion haben, gefolgt von 65 % im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E). Bis 2013 wird für das Feld Technik/Produktion ein weiter steigender Bedarf von 64 %, für F&E von 56 % angegeben.
Ähnlich Besorgnis erregend ist die Situation in Deutschland, wie die aktuelle Ingenieurstudie des VDE  zeigt: Bis zum Jahr 2020 wird für unser Nachbarland aufgrund von Pensionierungen der geburtenstarken Jahrgänge und einer demgegenüber zu geringen Zahl an AbsolventInnen eine gravierende Fachkräftelücke im Bereich der Elektro- und Informationstechnik prognostiziert. Die Gründe dafür liegen in Deutschland wie in Österreich in den zu geringen Anfänger- und Absolventenzahlen einschlägiger Studien. Eine zusätzliche Problematik ist der äußerst geringe Anteil an weiblichen Studierenden in technischen Studienrichtungen (z. B. Elektrotechnik: TU Wien: 8,1 % , TU Graz: 7,6 % ). Mitentscheidend dafür ist das in der breiten Öffentlichkeit zu wenig bekannte und daher nicht ausreichend attraktiv scheinende Berufsbild der IngenieurInnen und DiplomingenieurInnen.
 
 

 

Positives Ingenieurimage
Der Österreichische Verband für Elektrotechnik (OVE) hat im Vorjahr nach einer qualifizierten Branchenumfrage drei Themenfelder identifiziert, denen sich der Verband in den nächsten Jahren verstärkt widmen wird. Neben den Bereichen „Innovation“ und „Nachhaltigkeit“ setzt der OVE vermehrt Initiativen für ein positives Image sowie für ein attraktives Berufsbild der IngenieurInnen und DiplomingenieurInnen. Ebenso zählt dazu der Einsatz für eine zukunftsorientierte Ausbildung in den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen.

SchülerInnen für Technik begeistern
Dem OVE ist es jedoch auch ein Anliegen, möglichst früh Begeisterung für die Technik zu wecken und so bereits bei dem/der einen oder anderen SchülerIn den Berufswunsch in Richtung Technik und Naturwissenschaften zu lenken. Dazu betreibt der OVE aktuell zwei Projekte, die speziell SchülerInnen ansprechen: Mit der Videoplattform ScienceClip.at (http://www.scienceClip.at) stellt der OVE eine Online-Plattform zur Verfügung, über die interessierte SchülerInnen kurze, prägnante Videos über den abwechslungsreichen, interessanten und mitunter auch unterhaltsamen Alltag von ForscherInnen ansehen und auch mit diesen in Kontakt treten können.
Im Rahmen des Wettbewerbs „Invent a Chip“ (http://www.inventachip.at) haben SchülerInnen von HTL und AHS-Oberstufe die Möglichkeit, eigene Ideen für Computerchips zu entwickeln und diese in weiterer Folge mit Unterstützung durch Fachleute zu entwickeln. Die beste Idee wird sogar als Siliziumchip gefertigt – dies neben attraktiven Preisen für die Teilnehmer.

Ausblick
Nur wenn es uns gelingt, engagierte und innovative Köpfe in ausreichender Zahl für die Wahl eines ingenieurwissenschaftlichen Studiums zu begeistern, diese dann best möglich auszubilden und sie auch in weiterer Folge im Sinne des lebenslangen Lernens zu begleiten, können wir den großen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte erfolgreich begegnen.

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[1] BP Statistical Review of World Energy (2009).

[2] Austrian Internet Monitor (AIM) – 1. Quartal 2010. (http//www.mediaresearch.orf.at)

[3] Interview mit Dipl.-Ing. Mag. Wolfgang Pell, Koordinator der Plattform Austrian Mobile Power. Aus: e&i, H. 4 (2010): a10

[4] IV-Lehrlingsumfrage 2010.

[5] VDE-Studie 2010. Ingenieurinnen und Ingenieure der Elektrotechnik/Informationstechnik. Trends, Studium und Beruf.

[6] Anzahl der weiblichen Studierenden des Bachelor-, Master- oder Diplomstudiums Elektrotechnik an der Technischen Universität Wien. Stand Sommersemester 2010. Quelle: BMWF 2010.

[7] Anzahl der weiblichen Studierenden des Bachelor-, Master- oder Diplomstudiums Elektrotechnik an der Technischen Universität Graz. Stand Wintersemester 2009/2010. Quelle: TUGRAZonline, Stand: 20. 12. 2009.

 Autor:
Dipl.-Ing. Gunter Kappacher, Vorstandsdirektor Siemens AG Österreich
Präsident des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE)
c/o Österreichischer Verband für Elektrotechnik
Eschenbachgasse 9
1010 Wien
E-Mail: gunter.kappacher@ove.at

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