Abbildung 2 Lehrerkollegium am M.T. International College

Lehrerkollegium am M.T. International College

Netzwerkaufbau und Lehrerausbildung:
Im Herbst 2009 traf sich eine Runde in Wiener Neustadt und beriet, wie in Nigeria ein Bildungsprojekt unterstützt werden könnte. Der Anlass ergab sich aus einem Heimatbesuch von Eva Neusiedler, die mit ihrem nigerianischen Mann in einer Privatschule in Kano als International Director
arbeitet.

Die einfache Ausstattung der Schule und der Mangel an den Unterricht unterstützenden Materialien führte zum Entschluss, den Aufbau eines Computerlabs als die optimale Möglichkeit zur Anbindung der Schule an internationale Bildungsressourcen (Online-Material) zu wählen. DI Margarete Grimus, Professorin der Pädagogischen Hochschule in Wien, und DI (FH) Thomas Abzieher, selbstständiger IT-Consultant und Microsoft Certified Partner, erstellten ein Konzept, mit ihren beruflichen und internationalen Erfahrungen das M.T. International College in Kano (eine 4-Millionenstadt in Nord-Nigeria) zu unterstützen. Internationale Standards in der Bildung in einem Entwicklungs- Land wie Nigeria einzubringen kann am besten durch Anbindung ans Internet gelingen. Es wurde ein längerfristiges Projekt geplant, das modular in Etappen umgesetzt werden soll. Als erster Schritt erfolgte im Jänner 2010 der Aufbau eines Computerlabs und im Februar die Basisausbildung für Lehrer und Lehrerinnen.

Facts: Nigeria ist mit 150 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas (an achter Stelle weltweit), mit 250 verschiedenen Volks- und Sprachgruppen, zwischen denen starke Rivalität herrscht, die sowohl religiöse als auch soziale Ursachen hat: Im Norden ist der Islam vorherrschend, im Süden leben vor allem Christen. In Nigeria, dem zehntgrößten Erdölexporteur der Welt, leben rund 70 % der Bevölkerung aufgrund der ungleichen Einkommensverteilung unterhalb der Armutsgrenze (ca. 1 US$ pro Tag). 41,5 % der Bevölkerung sind zwischen 0 und 14 Jahre alt, 55,5 % sind zwischen 15 und 64 und 3 % älter als 65 Jahre (Altersdurchschnitt 19 Jahre; Quelle: CIA, 2009). Trotz des Reichtums an Energierohstoffen ist die Stromversorgung überwiegend von privaten Generatoren abhängig. Auch der Versorgung mit sauberem Trinkwasser und der Müllentsorgung wurde bislang kaum Beachtung geschenkt.

Schulbildung: Es besteht eine neunjährige Schulpflicht vom 6. bis zum 15. Lebensjahr. Das Schulsystem gliedert sich in eine sechsjährige Grundschule, an die eine zweistufige allgemein- oder berufsbildende Sekundarschule anschließt (Hochschulreife nach zwölf Schuljahren). Viele Kinder haben kaum die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, da sie für ihren Lebensunterhalt arbeiten oder ihren Eltern helfen müssen. Die Bildungsangebote des nigerianischen Bildungswesens sind qualitativ unzu reichend, es mangelt an Lehrkräften und Schulen. Die meistenSchulen befinden sich in schlechtem Zustand, der Unterricht fällt zuweilen vollständig aus, „der Besuch öffentlicher Schulen in Nigeria garantiert schon längst nicht mehr Rechnen, Schreiben oder Lesen zu lernen“ (Auswärtiges Amt, Deutschland 2010). Deshalb wächst vor allem in den Städten die Zahl privater Bildungseinrichtungen, die versuchen, den Erwartungen gerecht zu werden. Daten variieren, abhängig davon, ob sie von staatlicher Seite (Nigerian Government) oder internationalen Organisationen publiziert werden: Die Einschulungsquote wird offiziell mit 80,6 % angegeben, laut DHS Survey (USA) besuchen nur 36,6 % der 6-Jährigen eine Schule, bei den 9- bis 11-Jährigen sind es 72 %. 19 % der Kinder im Grundschulalter (6-11 Jahre) werden nicht eingeschult, das entspricht etwa 5 Millionen von 22 Millionen der 6- bis 11-Jährigen (NSC; National School Census Primary). Die UNICEF gibt die Schulbesuchsrate der Grundschule mit 60,1 % an, die der Sekundarstufe mit 35,1 %, andere Quellen besagen, dass nur etwa die Hälfte der Kinder im schulpflichtigen Alter eine Schule besuchen, die Altersstruktur in den Klassen ist nicht immer homogen, es besteht auch ein Unterschied in der Bildungsperspektive zwischen Mädchen und Buben. Die Literacy-Rate (>15 Jahre, die lesen und schreiben können) wird vom CIA mit 68 % angegeben. Das geringe Bildungsniveau ist eine der Ursachen für die hohe Armuts-Quote.

Das M.T. International College ist eine Privatschule. Die jüngsten Schüler sind knapp zwei Jahre alt, die ältesten 19 Jahre, der Unterricht wird in englischer Sprache erteilt (offizielle Amtssprache). Die Klassenschülerzahlen sind klein (zwischen 6 und 25 Kinder), im Gegensatz zu öffentlichen Schulen, wo der Durchschnitt bei 50 Kindern je Klasse liegt.

Projektidee: Mit Internet-Zugang können Lehrer auf englischsprachige Bildungsressourcen zugreifen, Schüler können im www Anschauungsmaterial (Grafiken, Modelle, Videos) nutzen, ohne dass hohe Kosten (neben den Provider- und Treibstoff -Kosten) anfallen. Strom kommt vom Generator, der für die Kurse eingeschaltet wird. In der ersten Phase (Jänner 2010) wurde ein Computerlab an der Schule aufgebaut. Zehn Second Hand Desktop-PCs wurden mit Thomas Abziehers Hilfe vor Ort erworben, er installierte das LAN und auch den Internet-Anschluss. MS WINDOWS XP und Office XP kann mit der verfügbaren Hardware gerade noch laufen. Aus Österreich konnten wir sechs gespendete gebrauchte Notebooks mitbringen und zwei US$100XO Laptops, die von der Österreichischen Computer Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden, Mäuse, Mauspads und USB-Sticks. Lizensierte Software sollte legale Bedingungen schaffen! Die Österreichische Computer Gesellschaft hat das Projekt großzügig durch die Beschaffung von Microsoft-Lizenzen für WINDOWS XP und MS OFFICE unterstützt. Diese „Marke“ bedeutet in Nigeria sehr viel, da sie für Qualität steht; in einem Entwicklungsland verleiht das der Institution einen zusätzlichen Faktor an Seriosität (das hebt die Schule auch als besonderes Kriterium auf ihrer Schul-Website hervor). Nach der Installation des Labors wurden die Lehrer und Lehrerinnen im Februar von M. Grimus in die Computernutzung eingeführt, mit dem Schwerpunkt, das Internet zur Unterstützung des Unterrichts zu nutzen. Die überwiegende Mehrheit der Lehrer und Lehrerinnen waren mit Computern bisher nicht vertraut. In der dritten Kurs-Woche waren die am Kurs teilnehmenden Lehrer und Lehrerinnen so weit, Unterricht mit PC und Internet-Einsatz didaktisch erfolgreich zu planen und auch durchzuführen. Ein wichtiges Tool stellt in der Anfangsphase WIKIPEDIA dar. Powerpoint und Recherche-Kompetenz in Kombination sind für die Lehrer die Grundlagen für ihre ersten Unterrichtsmodelle.

Es ist eine völlig neue Erfahrung, unter diesen Bedingungen ein Projekt zu starten: Die Lehrer arbeiten ohne Pausen, ohne zu tratschen, sind voll konzentriert und hochmotiviert. Die Einsatzfreude, der Arbeitsaufwand, die unermüdlichen Bemühungen, weitere interessante Inhalte in ihre Stunden zu integrieren, Anschauungsmaterial mit Links in ihre Vorbereitungen einzubauen, ist mit mitteleuropäischen Verhältnissen nicht zu vergleichen! Die Lehrer und Schüler erkennen die ungeheure Chance, die sich für ihre Gesellschaft mit den gegebenen Bedingungen durch die Möglichkeit der Partizipation im www ergibt! Es ändern sich die Lehrmethoden, Abschreiben von der Tafel und Rezitieren – klassischer Frontalunterricht – ist nicht mehr die einzige Möglichkeit des Unterrichtens! Weiterführende Informationen aus dem Internet erlauben vertiefte Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten, wenn man die Grundlagen dafür beherrscht! Die Schule ist auf neuen Wegen, mit dem PC Lab können die Lehrer neue Methoden erproben! Wann immer Treibstoff für den Generator da ist, bereiten die Lehrer Stunden vor, in denen sie Modelle, Grafiken, Anschauungsmaterial aus dem Internet zu ihren Stoffinhalten und in ihre Präsentationen als Links einbinden.

Die Erfahrung zeigt, dass eine Weiterbetreuung des Projekts nachhaltige Veränderungen in der Bildungs-Qualität erwarten lässt. Wir wollen für jede Klasse der Secondary School ein Notebook zur Verfügung stellen (zusätzlich zum PC Lab) – damit kann der Unterricht fortgesetzt werden, wenn der Diesel für den Generator plötzlich zu Ende ist. Das langfristige Ziel ist, die Lehrer so gut auszubilden, dass sie die englischsprachigen Ressourcen im Internet für ihren Unterricht nützen können und wir sie bei Fragen online betreuen können. Das eröffnet dem
M.T. International College den Weg zur globalen Bildungswelt! Noch für heuer ist ein weiteres Modul der Lehrerweiterbildung geplant, bei dem die Didaktik der Vermittlung von ICTBasiskompetenzen im Vordergrund steht. Ziel ist, alle Lehrer auf ECDL Start-Niveau zu qualifizieren, um sie in einer längerfristigen Online- Betreuung auch didaktisch weiterbilden zu können.

Sachspenden sind höchst willkommen (Note-/Webbooks, Projektor, externe Festplatte, USB-Sticks, Druckertinte….)

Autor: DI Margarete Grimus

Kontakt:
DI Margarete Grimus,
Prof. LPH,
margarete.grimus@aon.at

Ausblick: Ein weiteres Projekt ist in Kapstadt, Südafrika, für September 2010 geplant: Back to Work with Basic Computer Competences für HIV-positive Jugendliche. Im Three Anchor Bay Health Care Center sollen Jugendliche zu einer Qualifikation, die dem ECDL Start entspricht, geführt werden, um ihnen Möglichkeiten für einen beruflichen Einstieg zu geben.

M.Grimus und Th. Abzieher finanzieren die Reisen und alle damit verbundenen Kosten (Visum etc.)aus Eigenmitteln.

Quellen und weiterführende Links (Links zuletzt überprüft am
10.5.2010)

Website der Schule: http://www.mt-internationalcollege.org/index.html
NSC, National School Census (Primary)-2006, Federal Ministry of Education Abuja;
2009 http://www.nigerianstat.gov.ng/nbsapps/nada/survey.php?id=16
CIA The Central Intelligence Agency, WORLD FACT BOOK https://www.cia.
gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html
DHS Demography and Health Survey, USA http://www.measuredhs.com/
International Education Statistics, http://huebler.blogspot.com/2008/04/self-reported-
and-tested-literacy-in.html
UNICEF Statistics, Nigeria http://www.unicef.org/infobycountry/nigeria_statistics.
html
Auswärtiges Amt Deutschland, 2010. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/
Laenderinformationen/Nigeria/Kultur-UndBildungspolitik.html

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