Dr. Barbara Rett

Dr. Barbara Rett

Ein Gespräch mit der Kulturjournalistin Barbara Rett

Die Kulturjounalistin Dr. Barbara Rett (57), aus der Erwachsenenbildung kommend, moderiert seit Jahren das nationale und internationale Kulturleben für den ORF. Wie hat sich ihre Arbeit durch die starke Medialisierung verändert? Barbara Rett im Gespräch mit Rupert Lemmel-Seedorf über Kulturjournalismus und den Einsatz der Informationstechnologie.

OCG Journal: Frau Dr. Rett, Sie sind eine der bekanntesten Kulturjournalistinnen Österreichs, wann haben Sie Ihre Liebe zu Kunst und Kultur entdeckt?

Rett: Schon als Kind! Obwohl meine Eltern beide nichts mit Kultur zu tun hatten – sie waren beide Ärzte – war sie zuhause immer präsent. Mein Vater hat mich sehr früh ins Theater mitgenommen, meine Mutter hat viel klassische Musik gehört, beide haben viel und gern gelesen, wir sind viel gereist. Kultur war nichts „was man tut“, sie war einfach da wie die Luft zum Atmen.

OCG Journal: Über Ihren beruflichen Werdegang gibt die Wikipedia ausführlich Auskunft. Wissen Sie, wer diesen Eintrag verfasst hat?

Rett: Ich glaube ja, weil derjenige vorher einige Informationen bei mir nachgefragt hat.

OCG Journal: Digitale Medien, vor allem die, die unter dem Begriff Web 2.0 oder Social Web zusammengefasst werden, fördern nicht nur die Vernetzung, sondern geben jedem die Möglichkeit, selbst der „Star“ zu sein. Der Drang, sein Leben der Öffentlichkeit mitzuteilen, ist ein bekanntes Phänomen der Avantgarde (Fernand Léger oder Dan Graham) und im Kino mit Filmen wie „Die Truman Show“ thematisiert. Sind Selbstdarstellungen im Web 2.0 persönlicher Narzismus/ Exhibitionismus oder sehen Sie darin auch künstlerische Aspekte?

Rett: Sehr gute Frage! Die ersten, die das so radikal umgesetzt haben, waren sicherlich Beuys und Warhol, aber die Popmusik selbst stellte natürlich auch eine große Demokratisierungswelle dar. Vier Arbeiterkinder aus Liverpool waren plötzlich Superstars (die Beatles, Anm.) – undenkbar bis dahin. Diese Demokratisierung von Kunst ist natürlich wunderbar und wichtig – ganz radikal zu Ende gedacht, führt sie zu Paradigmen wie „Alles ist Kunst“ und „Jeder ist Künstler“ und löst damit Funktion und Aufgabe von Kunst auf. Als zweiter Aspekt scheint mir, dass in einer so unsicher und unübersichtlich gewordenen Welt der eigene Körper das einzige ist, was uns gewiss ist. Er wird daher immer mehr zum Schlachtfeld der Selbstdarstellung, sogar die Identitäten, Imagos oder Images sind dabei nur Nebensache und können wechseln wie z. B. Madonna oder Lady Gaga demonstrieren. Unsere Welt erzeugt offensichtlich das starke Bedürfnis, sich seiner selbst mithilfe von zwar nicht physischer, aber „körperlicher“ Repräsentanz im medialen Raum zu vergewissern. Ich stelle mich dar, also bin ich.

OCG Journal: Das führt zum eigentlichen Thema: Kultur, Journalismus und Informationstechnologie. Der Umgang mit dem Computer wird als vierte Kulturtechnik bezeichnet. Omnipräsente digitale Medien bestimmen zusehends den Alltag. Was heißt in diesem Kontext Kreativität für Sie?

Rett: Ich genieße die räumliche und zeitliche Unabhängigkeit durch die elektronischen Medien! Ich muss nicht mehr zu bestimmten Zeiten im Büro sitzen, sondern kann meine Arbeiten, Recherchen, Kommunikation dann machen, wenn es für mich am besten passt. Die ganze mediale Überinformationsflut
zieht an mir sowieso vorbei. Ich habe auch früher schon lieber zwei Zeitungen ordentlich gelesen, als zwölf durchgeblättert.

OCG Journal: Vom Menschen wird heute vielerorts erwartet, ähnlich dem Computer, Dinge gleichzeitig oder parallel zu machen, kurz „multitaskingfähig“ zu sein. Verändern digitale Medien die Rezeption von Kunst? Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Rett: Ich verweigere Multitasking seit Jahren! Was ich mache, mache ich ganz. Ich kann nicht einmal Musik „nebenbei“ hören! Das lustige ist, dass die neuesten Studien, die die Effizienz von Multitasking beweisen wollten, genau das Gegenteil ergeben
haben. Alles, was wir machen, wenn wir multitasking arbeiten, machen wir schlechter – ich für mich hab‘ das immer schon gewusst (lacht).

OCG Journal: Jürgen Habermas spricht von der Gefahr, dass Intellektuelle ihre Bedeutung im öffentlichen Diskurs verlieren, weil digitale Medien Kommunikation zwar verdichten, aber zugleich Rollen entdifferenzieren. Wie sehen Sie Ihre Rolle durch Medien in Gefahr?

Rett: Intellektuelle sind wunderbare Menschen, die die Sehnsucht haben,die Welt zu verstehen und anderen zu erklären; und damit oft auch großartige Gedankengebäude schaffen können – ich denke an Sigmund Freud. Was wir heute brauchen, ist aber sicherlich weniger linke und mehr rechte Hirnhälfte, unsere Welt leidet nicht unter einem Mangel an Hirn, sondern an einem Mangel an Herz!

OCG Journal: Zu Ihrer täglichen Arbeit: Wie und wie intensiv setzen Sie das Internet und Web 2.0 Applikationen ein?

Rett: Ich verwende es ausschließlich beruflich – für Spiele oder Chat hab‘ ich weder Zeit noch Lust, da geh‘ ich lieber tanzen oder treffe Menschen! Ich hab‘ kein Handy, daher läuft 80 % meiner beruflichen Kommunikation über den Laptop. Daneben verwende ich Suchdienste bzw. youtube, einige ganz wenige Fachblogs. Bei Facebook, Twitter etc. stellen sich bei mir die Haare auf, weil ich berufsbedingt ja ohnehin ein teilweise öffentliches Leben habe. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit der uns überflutenden Öffentlichkeit und Vernetzung auch das Bedürfnis nach Intimität und Privatheit steigen wird. Meine Prophezeiung: In ein paar Jahren werden die Eliten beginnen, sich abstinenter zu verhalten. Nach 23 Uhr wichtige E-Mails zu verschicken, wird für einen Topmanager einfach nicht mehr zum guten Ton gehören.

OCG Journal: Barbara Rett privat: Wie analog oder digital ist Ihr Leben?

Rett: Neulich hat das Betriebssystem meines Labtops aufgegeben und ich hab‘ vier Tage in völliger elektronischer Stille genossen. Es war wie Urlaub mitten in Wien, eine Art Heilfasten, und ich hab‘ mir gedacht, ich werde mir in Zukunft pro Monat drei elektronische Schweigetage gönnen!

OCG Journal: Langspielplatte oder MP3-Player?

Rett: CD-Player.

OCG Journal: Vorbilder?

Rett: Nie.

OCG Journal: Was werden Sie in zehn Jahren machen?

Rett: Weiterhin versuchen, ich selber zu sein und zu bleiben.

OCG Journal: Worüber können Sie lachen?

Rett: Paulus Manker hat heute in „Winterzeit“ gesagt, dass ich eine dumme Person bin – darüber hab‘ ich wirklich herzlich gelacht!

OCG Journal: Vielen Dank für das Gespräch!

Über Barbara Rett

Die promovierte Germanistin Barbara Rett (geb. 1953 in Wien) arbeitete bereits in der Schulzeit als Nachwuchsjournalistin im ORF. Nach dem Studium war sie Direktorin der Volkshochschule Hietzing (Wien), ehe sie 1988 zum ORF wechselte. Sie leitete Club 2-Sendungen, die Kulturbeiträge in der „Zeit
im Bild“ sowie die Sendungen „Treffpunkt Kultur“ und „Streifzug Kultur“. Sie arbeitete für Ö1 und moderierte für den deutschfranzösischen Kulturkanal ARTE. Daneben ist Barbara Rett als Moderatorin für unterschiedliche Veranstaltungen im Einsatz (u. a. Opernübertragungen aus Salzburg und Bregenz sowie den Wiener Opernball). Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Barbara_Rett

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